projektive Geometrie

projektive Geometrie
projektive Geometrie,
 
Teilgebiet der Geometrie. Bei der Projektion einer Ebene E auf eine Ebene E' durch Sehstrahlen von einem Augenpunkt Z aus entsprechen denjenigen Punkten P auf E, deren Sehstrahlen ZP der Ebene E' parallel sind, keine Punkte auf E ', da ZP die Ebene E' nicht schneidet. Analog haben die Punkte P ', für die die Sehstrahlen ZP' parallel zu E sind, keine Urbildpunkte auf E. Nach G. Desargues und J. Kepler fügt man den Punkten der Ebene noch so genannte uneigentliche Punkte (Fernpunkte) so hinzu, dass man eine umkehrbare eindeutige Beziehung zwischen den Sehstrahlen von Z aus und den Punkten auf E erhält. Analoges gilt für E' (projektive Ebene). Durch eine Projektion werden dann die Punkte von E und E' ausnahmslos und in jeder Richtung eindeutig aufeinander bezogen. Das gilt auch bei Hinzunahme weiterer Ebenen und Projektionen, sodass diese eine Gruppe, die Gruppe der projektiven Abbildungen, bilden. Die projektive Geometrie der Ebene befasst sich mit den Eigenschaften der ebenen Figuren, die bei projektiven Abbildungen erhalten bleiben, z. B. mit dem Doppelverhältnis von vier Punkten auf einer Geraden, oder damit, dass sich in einer projektiven Ebene zwei Geraden stets in genau einem Punkte schneiden (gruppentheoretische Auffassung im Sinne des Erlanger Programms). Ein Kegelschnitt geht wieder in einen Kegelschnitt über, eine Ellipse aber unter Umständen in eine Hyperbel. Die metrischen Geometrien, v. a. die euklidischen und die nichteuklidischen, lassen sich als Spezialfälle der projektiven Geometrie deuten.
 
Mit der Methode der analytischen Geometrie lässt sich die Einführung der uneigentlichen Punkte von der projektiven Ebene auf den projektiven Raum verallgemeinern. Dazu legt man den Augenpunkt Z in den Ursprung eines rechtwinkligen räumlichen Koordinatensystems. Die Ebene E gehe durch den Einheitspunkt Ez der z-Achse und sei zur x, y-Ebene parallel. Jeder Punkt P der Ebene E lässt sich dann durch den Strahl ZP eindeutig festlegen und dieser wieder durch einen beliebigen seiner Punkte S, sobald S vom Augenpunkt Z verschieden ist. Die räumlichen Koordinaten x, y, z des Punktes S können auf diese Weise zur Festlegung des Punktes P auf E dienen. Hierbei ist die letzte Koordinate z von S stets ungleich null, da sonst der Strahl ZP in der x, y-Ebene liegen, also E nicht schneiden würde. Außer dem Punkt S = (x, y,z) liegen auf ZP genau diejenigen Punkte S' = (x', y', z'), deren Koordinaten durch Multiplikation mit einem von null verschiedenen gemeinsamen reellen Zahlfaktor aus denen von S hervorgehen. Einem Punkt P auf E entspricht also genau eine Klasse [x, y, z] von Zahlentripeln (x, y, z). Man nennt [x, y, z] die homogenen Koordinaten von P. Definiert man nun umgekehrt zur abstrakten analytischen Begründung der (ebenen) projektiven Geometrie die Ebene E als Menge dieser Klassen [x, y, z] von Zahlentripeln, so besteht die Ergänzung von E durch die uneigentlichen Punkte darin, dass man auch Klassen [x, y, 0] zulässt, bei denen die letzte Koordinate 0 ist. - Diese Definition der projektiven Ebene lässt sich zu einer Definition des projektiven Raumes verallgemeinern, indem man statt von Klassen von Koordinatentripeln von Klassen von Koordinatenquadrupeln [x1, x2, x3, x0] ausgeht. Analoges gilt für den n-dimensionalen Raum.
 
Die projektiven Abbildungen der Ebene lassen sich jetzt durch ein System homogener linearer Gleichungen beschreiben. Das führt zur Definition der projektiven Transformationen des Raumes als den durch ein umkehrbares System linearer Gleichungen beschreibbaren. Sie bilden wieder eine Gruppe. Jede algebraische Mannigfaltigkeit, z. B. ein linearer Raum, lässt sich dann durch homogene Gleichungssysteme, also durch Formen definieren; dabei verlieren die uneigentlichen Punkte ihre Ausnahmestellung, und die Sätze gewinnen an Übersichtlichtkeit.
 
In der axiomatischen Begründung der projektiven Geometrie der Ebene geht man von zwei Mengen P und G aus, deren Elemente Punkte beziehungsweise Geraden genannt werden, und einer Relation C auf PG (gelesen »der Punkt P liegt auf der Geraden G«). Für diese Inzidenzrelation werden dann bestimmte Eigenschaften als Axiome der projektiven Geometrie eingeführt, z. B. »zwei verschiedene Punkte sind mit genau einer Geraden inzident«, »zu jeder Geraden existieren mindestens drei mit ihr inzidente Punkte« und »zu je zwei Geraden gibt es immer einen Punkt, der mit beiden Geraden inzidiert«. Es gilt das Prinzip der Dualität.
 
Begründer der projektiven Geometrie sind besonders J. V. Poncelet (»Traité des propriétés projectives des figures«, 1822), J. Steiner und K. G. C. von Staudt. Wichtige Vorarbeiten leisteten im 17. Jahrhundert G. Desargues und B. Pascal.

Universal-Lexikon. 2012.

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